Wenn es jemand wagt, von der gängigen Regierungs- und TV-Darstellung über Russland und seine Rolle in der Welt abzuweichen, wird diese Person in der Regel sofort verurteilt, weil sie “russische Argumente” vertritt oder “von Putin bezahlt” wird. Dies ist besonders der Fall, seit Russland eine aggressive Invasion gegen seinen Nachbarn Ukraine führt.
Aber das ist trotzdem Unsinn.
In den Tagen der kommunistischen Sowjetunion gab es viele im Westen, die eine ideologische Affinität und Loyalität zum Kommunismus und zur sowjetischen Regierung teilten… Aber
in der heutigen Zeit gibt es nichts Vergleichbares in Bezug auf Russland. Ein Kult um Putin? Wo denn? Sicherlich nicht in einer der hiesigen Parteien. Putin ist kein charismatischer kommunistischer Führer der Vierten Internationale. Er ist im Wesentlichen ein konservativer, der eng mit bestimmten Wirtschaftsoligarchen verbunden ist. Seine Flagge ist rot, weiß und blau. Seine Religion ist christlich.
Und er spricht leise. Es gibt in diesem Land nicht eine einzige Fraktion von Bedeutung, die Russland bevorzugt oder russische Interessen an die erste Stelle setzt.
Die Leute, die das behaupten, tun das, um sich nicht mit der anderen Seite der Geschichte beschäftigen zu müssen. Oder sie sind einfach nur dumm.
Warum also sollten wir dem gängigen Narrativ widersprechen? Weil unsere Regierung lügt, und weil die Wahrheit lebenswichtig ist. Vor zwanzig Jahren begann der Versuch, uns mithilfe von Lügen in den Krieg gegen Saddam Husseins Irak zu ziehen. Der wichtigste Aspekt dabei war die Art und Weise, wie man versuchte, kritisches Denken zu untergraben; Diejenigen, die der gängigen Meinung widersprachen, wurden beschuldigt, “objektiv für Saddam” und seine Regierung zu handeln. Aber die Kritiker hatten zu 100% Recht und die Kriegspartei hat die ganze Zeit gelogen. Die Lektion hätte lauten müssen, dass wir uns von unsere Regierungen und deren Medien nie so leichtgläubiug verleiten lassen.
Aber es passiert immer wieder.
Wie Stephen M. Walt von der Harvard-Universität und Führer der so genannten “realistischen” Schule der Außenpolitik Anfang schrieb, “geht es bei ‘strategischer Empathie’ nicht darum, mit der Position des Gegners einverstanden zu sein. Es geht darum, sie zu verstehen, damit man eine angemessene Antwort geben kann”.
Am 22. Februar erkannte der russische Präsident Wladimir Putin die lang geforderte Unabhängigkeit des Donbass, der beiden abtrünnigen Provinzen Donezk und Luhansk im äußersten Osten der Ukraine, an und entsandte sogenannte “Friedenstruppen” in dieses Gebiet.
Am nächsten Tag startete Russland eine Invasion in der restlichen Ukraine.
In seiner Rede am 22. Oktober ging Putins Argumentation über die Gefahren der Unabhängigkeit der Ukraine so weit, dass er die dauerhafte Übernahme des gesamten Landes rechtfertigte.
Die Verantwortung für den Einmarsch Russlands in die Ukraine liegt bei Putin, aber für den neuen Kalten Krieg, in dem er stattfindet, sind in erster Linie die US-Regierung und ihre Führer in den letzten 30 Jahren verantwortlich.
Und dieser Konflikt begann wirklich vor 30 Jahren. Gerade am letzten Weihnachtstag jährte sich zum 30. Mal der letzte Tag der UdSSR. Die rote Flagge der Kommunisten wurde eingeholt, an ihrer Stelle wurde die rot-weiß-blaue russische Fahne gehisst. Der Kalte Krieg mit der Sowjetunion war vorbei. Das böse Imperium war tot.
Aber dann haben die Regierungen von Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama, Donald Trump und Joe Biden unseren großen Frieden und Sieg am Ende des letzten Kalten Krieges zunichte gemacht. Stattdessen haben sie uns in dieses Schlamassel gebracht. Das lag in erster Linie an der Politik der NATO-Erweiterung, der Aufkündigung wichtiger Nuklearverträge, der Installation von Raketenabwehrsystemen in Osteuropa, dem Sturz mehrerer russlandfreundlicher Regierungen, einschließlich der Ukraine zweimal innerhalb von 10 Jahren, den Ausgaben der letzten 5 Jahre für die Lieferung hochentwickelter Waffen an die Ukraine und der zunehmenden Belästigung durch Schiffe der amerikanischen Marine und Flugzeuge der Luftwaffe im Schwarzen Meer, der Ostsee und dem Ochotskischen Meer.
Unsere Politiker und Regierungsvertreter wurden von Russland gewarnt. Sie dachten, es würde schon gut gehen. Es ging aber nicht gut.
DIE BUSH JAHRE
Präsident Ronald Reagan hatte mit der alten Sowjetunion ab 1988 ein Ende des Kalten Krieges ausgehandelt. Doch dann, unter Präsident George H.W. Bush, vertrat die amerikanische Außenpolitik, angeführt von den Neokonservativen, eine Doktrin der globalen Dominanz. Dies war, wie Charles Krauthammer es 1990 in Foreign Affairs ausdrückte, der “unipolare Moment” der USA und die Gelegenheit, die Welt nach unseren Vorstellungen umzugestalten und sie so zu halten. Sie nannten es Führung, Hegemonie, Vorherrschaft, Vorherrschaft oder sogar Full Spectrum Dominance. Ein Weltimperium also, verkleidet als Wahrung des Friedens, der Schutz der Seewege, die Durchsetzung der globalen, auf Regeln basierenden liberalen internationalen Ordnung.
Die “Defense Planning Guidance” des Verteidigungsministeriums von Dick Cheney für die Zeit nach dem ersten Irakkrieg aus dem Jahr 1992 definierte die Doktrin für das neue Jahrzehnt und das neue Jahrtausend: Die USA sollten die einzige dominante Macht auf dem Planeten bleiben und genügend militärische Macht besitzen, um mögliche strategische Rivalen wie Deutschland, Japan, Russland oder China daran zu hindern, auch nur den Versuch zu unternehmen, die Macht der USA herauszufordern. Wie dieselben Neokonservativen 1998 in ihrer Studie “Rebuilding America’s Defenses” (Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert) schrieben, war die Ausweitung der US-Präsenz im Nahen Osten und des NATO-Bündnisses in Europa das Kernstück der Doktrin.
Doch es gab ein Problem. Am 9. Februar 1990 versprachen Präsident George H.W. Bush und sein Außenminister James Baker III dem sowjetischen Ministerpräsidenten Michail Gorbatschow, dass sie das NATO-Militärbündnis nicht “einen Zoll nach Osten” weiter ausbauen würden, wenn die Sowjetunion ihre Truppen abzöge und die deutsche Wiedervereinigung im Rahmen des amerikanischen Militärbündnisses zuließe. Der westdeutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, der französische Präsident Francois Mitterrand und die britischen Premierminister Margaret Thatcher und später John Major gaben alle dasselbe Versprechen ab.
Leider haben sie seitdem gelogen und immer wieder behauptet, dass diese Zusage entweder nie stattgefunden hat oder nicht zählt, weil sie nicht schriftlich festgehalten wurde. Aber 2019 wurden die Aufzeichnungen im Nationalen Sicherheitsarchiv der George Washington University veröffentlicht.
Hinzu fand, Ende Februar 2022, ein amerikanischer Forscher im britischen Nationalarchiv ein ehemals geheimes Dokument — das Protokoll einer Sitzung mit den politischen Direktoren der Außenministerien Amerikas, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands vom 6. März 1991, in dem der deutsche Vertreter Jürgen Chrobog sagt: “Wir haben in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen deutlich gemacht, dass wir die NATO nicht über die Elbe hinaus erweitern werden. Deshalb können wir Polen und den anderen nicht die NATO-Mitgliedschaft anbieten.” Wie der Spiegel berichtet, sagte der US-Vertreter Raymond Seitz: “Wir haben der Sowjetunion klar gemacht – in den Zwei-plus-Vier-Gesprächen und anderswo – dass wir keinen Vorteil aus dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Osteuropa ziehen werden.”
Obwohl Bush Amerikas so genannte “Neue Weltordnung” der versuchten globalen Hegemonie und den katastrophalen, 30-jährigen Krieg im Nahen Osten ins Leben gerufen hat, sollte jedoch erwähnt werden, dass erin einer wichtigen Hinsicht das Ende des Kalten Krieges in einer Art und Weise gehandhabt hat, die man sogar als heldenhaft bezeichnen könnte, indem er mehrere Verträge mit den Sowjets und dann dem russischen Nachfolgestaat unterzeichnete, um die Atomwaffenbestände beider Seiten von Zehntausenden auf die viel geringeren Mengen von heute zu reduzieren.
zum nächsten Teil:
Die Geschichte hinter dem Russland-Ukraine-Krieg – Die Clinton Jahre
und es geht weiter:
Die Geschichte hinter dem Russland-Ukraine-Krieg – Die Bush Junior Jahre
Zum nächsten Teil:
Die Geschichte hinter dem Russland-Ukraine-Krieg – Die Obama Jahre
der letzte Teil:
Die Geschichte hinter dem Russland-Ukraine-Krieg – Biden bis zum bitteren Ende
[Frei umgestaltet aus einer Rede von Scott Horton]
Dieser Beitrag erschien zuerst auf f+f Die Geschichte hinter dem Russland-Ukraine-Krieg – von clort73 | fisch+fleisch (fischundfleisch.com)
Sehr gut gemacht! Gut aufgeteilt.