Die Odysse einer Familienzusammenführung, die eigentlich gar nicht geplant war.

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Das Jahr 2021 hatte in den bisherigen 9 Monaten mehr Action zu bieten als die gesamten letzten 10 Jahre. Wie wenigen hier bekannt, haben wir uns Anfang 2020 ein altes Haus – was heißt Haus, eher eine renovierungsbedürftige, halb fertige Baustelle – gekauft. Im April 2020 sind wir dann auch schon im oberen Stockwerk eingezogen und seither werden in kleinen Schritten Haus samt Grundstück benutzbar gemacht. Im Sommer 2021 sollte das Projekt soweit fortgeschritten sein, dass das gesamte Haus bewohnbar ist. So war der Plan, aber zeitliche Pläne sind anscheinend dazu da, nicht erfüllbar zu sein, was schon mal zu so mancher familiären Krise führt, denn schließlich haben sich bereits im Frühjahr Schwiegermutter(80) und Enkel(23)(mein Stiefsohn) zu einem Sommerbesuch selbst eingeladen…

Doch es sollte alles ganz anders kommen. Im April machten sich Schwiegermutter und Enkel auf den Weg in die Ukraine, um die Reisepässe zu erneuern, was für Krimbewohner, die in die EU reisen möchten, das Logischste ist, um die Sanktionen zu umgehen. Nach 3 Wochen (für ukrainische Behörden-Verhältnise ein Rekordtempo) war es dann soweit, die Papiere waren fertig, einer Reise nach Österreich stand nichts mehr im Wege.

Schwer getäuscht. Keine 2 Stunden später erlitt meine Schwiegermutter einen schweren Insult (Schlaganfall) und wurde in eine Klinik eingeliefert und hier beginnt das eigentliche Martyrium. Man kann das ukrainische Gesundheitssystem eher mit einem afrikanischen als mit einen europäischen vergleichen, da gibt es nichts an medizinischen Maßnahmen, was nach einem schweren Schlaganfall zu tun wäre, um den Patienten wieder halbwegs auf Schiene zu bringen. Und als dem Spital bekannt war, dass es sich um einen Patienten von der Krim handelte, wurde es sofort politisch. Bereits nach einer Woche wurde Druck ausgeübt, meine Schwiegermutter ehebaldigst nach Sewastopol (Krim) zu verlegen, man hatte natürlich auch bereits ein Angebot unterbreitet, sie würden für schlappe 3500 € ein Rettungsauto für die 400 km organisieren, weil schließlich wohnt die Tochter doch in Öster(Reich) und ist somit eine Kapitalistin… wir haben es dann eine Woche später, selbst organisiert, für 800 € hinbekommen.

Einige Krisensitzungen später fiel der Beschluss: meine Frau fährt nach Hause und versucht zu retten, was noch möglich war. Nach ihrem ersten Besuch im Plege(!?)heim stand fest, Mutter wird ihre Wohnung nie mehr betreten können und wohl auch dieses Jahr im Heim nicht überleben, sollte sich nicht irgendetwas mit Therapeutin oä. organisieren lassen. Die Verwandten bis zum eigenen Bruder waren ein Totalausfall, niemanden interessierte es, wie es der “Tante Nina” ging.

Jetzt ging es Schlag auf Schlag, meine Frau holte sich die Vormundschaft über ihre Mutter, verkaufte ihre Wohnung, in der Mutter, Bruder und Sohn lebten, kündigte den Mieter der anderen Wohnung, die der Mutter gehörte und quartierte ihren Bruder dort ein. 6 Wochen dauerte die ganze Abwicklung bis sie mit dem Sohn im Gepäck nach Hause zurückkehrte.

Rettungsaktion 1 Ende Juli abgeschlossen, jetzt galt es Rettungsaktion 2 zu starten. Diesmal galt es, ihre Mutter aus diesem Heim raus und nach Österreich zu holen. In einer scharfen Aktion zwischen 5 Städten, zum einem eine Cousine in Cherson (Südukraine, wo der Schlaganfall passierte), Sewastopol-Krim (Behörden), Wolgograd (2. Cousine, der nebenbei noch eine große finanzielle Rolle zufiel), Kiev (wiederum Behörden und Sanitätsfahrzeug für den Transport der Mutter)und Wien (ukrainische wie russische Botschaft).

Nach 4 Wochen harten Verhandlungen und Diplomatie war es geschafft. Am 17. September startete meine Frau, inklusive Sohn als zweiten Fahrer für die 2500 Km, wiederholt Richtung Krim, am 22. um 8 Uhr Früh stand das Rettungsauto aus Kiev kommend bereit und am 24. um 0 Uhr 42 standen beide Fahrzeuge inklusive Schwiegermutter, alle völlig übermüdet, aber glücklich, in unserer Hauseinfahrt.

Somit war Rettungsaktion 2 auch abgeschlossen, aber weil es noch nicht genug war, bedurfte es einer 3. Rettungsaktion. Das Geld vom Wohnungsverkauf ist nicht in Österreich angekommen, unsere Hausbank hat es umgehend zurücküberwiesen, weil sämtliche Geldtransfers zwischen der Krim und der EU verboten sind. Das wussten wir, deshalb wurde es auch über Wolgograd (2. Cousine) umgeleitet, jedoch wurde die Vollmacht für die Transaktion von einen Notar von der Krim ausgestellt und das genügte, damit das Geld nicht ankam. Noch am Samstag wurde ein Flug Wien-Moskau-Wolgograd gebucht und morgen zu Mittag, nach der Landung in Wien, über St. Petersburg kommend, sollte auch diese Rettungsaktion abgeschlossen sein.

Nun, was soll ich sagen, mein (unser) Nervenkostüm hat die Generalprobe bestanden, entgegen aller Ratschläge meines Verwandten und Bekanntenkreises haben wir alles durchgezogen. Was das alles gekostet hat, auch finanziell, darüber werde ich wohl besser schweigen. Jetzt liegt sie keine 10m von mir friedlich in ihrem eigens für sie hergerichteten Zimmer. Nach 4 Tagen Blicke ins Leere hat sie heute zum ersten mal beim Waschen und Windelwechseln den Augenkontakt zu mir gesucht, es war ein Blick, der alle Mühen und Kosten der vergangenen Wochen entschädigt, ich hoffe das sie noch einige Jahre in unserer Mitte verbringt. Sie reagiert zwar noch immer nicht auf Ansprache, aber ich wette, in wenigen Wochen geht es wieder aufwärts.

 

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